Künstlerisch, praktische Fächer

„Nur durch das Morgentor des Schönen dringst du in der Erkenntnis Land“
Schiller

Das handwerkliche und künstlerische Arbeiten hat an der Rudolf-Steiner-Schule Coburg die gleiche Bedeutung wie Naturwissenschaften, Deutsch oder die Sprachen. Das Malen und Zeichnen findet in der Unterstufe im Epochenunterricht statt, wird aber auch in anderen Fächern wie Religion immer wieder aufgegriffen. Ab der 1. Klasse gibt es auch Handarbeitsunterricht. Die Schüler lernen dabei Häkeln, Stricken und Sticken. Die Arbeit mit den Händen schult die feinmotorischen Fähigkeiten und die Konzentration und Wachheit nehmen zu. Die erworbene Fingerfertigkeit wirkt dabei auf die gesamte Entwicklung, das Gehirn formt sich weiter aus. Je geschickter sich die Finger der Schüler bewegen, desto lebendiger entfalten sich die Gedanken. Gleichzeitig erleben die Schüler, Schönes selbst herzustellen, sinnvolles Tun und es entsteht ein ausgewogenes Verhältnis zu den kognitiven Fächern.

In der Mittelstufe beginnt parallel zur Handarbeit der Handwerksunterricht. Jedes Werkstück verlangt dabei seine eigene Betrachtungsweise, da es seine besonderen Eigenschaften mit sich bringt.  Die Schüler machen die Erfahrung, dass sie sich den Bedingungen des Materials anpassen müssen. Nicht der Lehrer korrigiert die Schüler, sondern der jeweilige Werkstoff schränkt die Freiheit des Schülers ein. Das Arbeiten am Werkstück kann somit als Selbsterziehung und Willensschulung verstanden werden.

In der Oberstufe werden weiterhin praktische Fächer unterrichtet. Sie dienen einerseits den Umgang mit den verschiedenen Materialien zu „begreifen“ (Kupfer treiben, Holz schreinern, Ton formen, Stein hauen, Flechten von Weiden, Spinnen von Wolle, Weben, Schneidern, Zeichnen und Malen mit verschiedenen Techniken, Kartonage, Buchbinden) und andererseits das Wertschätzen für die (handwerklichen)  Arbeiten der Mitmenschen zu ermöglichen. Der eine oder andere Schüler findet dabei auch sein „Lieblingsmaterial“, welches ihn sein weiteres Leben als Künstler („Jeder Mensch ist ein Künstler“ Beuys) begleiten wird.

Der Gartenbauunterricht führt ab der Mittelstufe über mehrere Jahre in die mehr mechanischen Arbeiten wie Kompost auf die Beete ausbringen und Umgraben und die pflegerischen Arbeiten wie Pflanzen, Pikieren, Hacken und Gießen ein. Hierbei werden jeweils die grob- und feinmotorischen Fähigkeiten geschult. Ein bedeutsamer Bereich liegt für die Schüler jedoch im Erleben der verschiedenen Tätigkeiten innerhalb des Jahreskreislaufs, da alle Arbeiten einen Bezug zu den Jahreszeiten haben.

Vertiefendes zum Schönheits- und Kunstsinn

„… Freude am Leben, Liebe zum Dasein, Kraft zur Arbeit, alles das erwächst für das ganze Leben aus der Pflege des Schönheits- und Kunstsinnes. Und das Verhältnis von Mensch zu Mensch, wie wird es veredelt, verschönt durch diesen Sinn …“

R. Steiner aus „Die Erziehung des Kinde“

Mit diesem Zitat wird die Aufgabe, die in der Waldorfpädagogik den künstlerisch praktischen Fächern zugeschrieben ist, ersichtlich. Die Pflege des Schönheits- und Kunstsinnes erfolgt aber nicht ausschließlich in den entsprechenden Fachstunden. Auch der Klassenlehrer nimmt sich dessen in seinem Unterricht an. Auch in der Mittelstufe belebt das Zeichnen und Malen in Anlehnung an die Inhalte der Epochen den Hauptunterricht. Der Fachunterricht unterstützt die Entwicklung der Schüler, indem z. B dem Bedürfnis der Sechstklässler, Ursache und Wirkung zu erforschen, im Schwarz-Weißzeichnen Gelegenheit gegeben wird, sich ganz praktisch mit den Bedingungen von Licht und Schatten auseinanderzusetzen.

Ein weiterer Schritt erfolgt so um die 7. Klasse, der junge Mensch sucht seinen eigenen Standpunkt. Das Konstruieren der Perspektive setzt voraus, dass der Schüler mit beiden Füßen auf dem Boden steht und in der Lage ist, den Blick zu fokussieren, um den Ausschnitt der Realität abzubilden.

In der Oberstufe geht es einerseits in der Naturstudie um die Schulung der exakten Wahrnehmung, andererseits auch um das Kennenlernen der verschiedenen grafischen Techniken und deren kreativen Einsatz. Auch lernen die Schüler ihre eigenen Neigungen, z.B. durch Erfahrungen mit den spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten von Hoch- oder Tiefdruck, kennen.

Der Wiedereinstieg in die Malerei über die Gesetzmäßigkeiten der Farbenlehre bildet eine solide Grundlage nicht nur für eigenes Gestalten, sondern auch für das Erfassen von Kunstwerken im Rahmen der Bildbetrachtung. Nicht zuletzt bietet die Malerei einen Raum der freien Entfaltung, in dem der junge Erwachsene sich emotional auszudrücken kann.

In jeder Altersstufe ist durch die praktische-künstlerische Tätigkeit der Ausgleich zu den Stunden mit eher kognitiven Lerninhalten zu sehen. Erst durch praktisches Tätigwerden verbinden diese sich innerlich mit dem Menschen.

Impressionen aus dem Handwerksunterricht

Vertiefende Themen

8.Klassspiel

In der 8. Klasse, am Ende der Mittelstufenzeit, mündet die Tätigkeit der praktischen Fächer Handarbeit, Handwerken sowie Malen und Zeichnen in ein gemeinsames Projekt, das sogenannte Klassenspiel. Ein Theaterprojekt für das die Schüler nicht nur in fremde Rollen schlüpfen, sondern Kostüme schneidern, Kulissen bauen, Bühnenbilder, Programme und Plakate gestalten.

Außer der Bühnenerfahrung und der individuellen Leistung, sich vor Publikum in der fremden Rolle zu präsentieren, ist es besonders der Aspekt des kreativen, verantwortungsvollen und hilfreichen Miteinanders, der durch dieses umfangreiche Gemeinschaftsprojekt gefördert werden soll.

Marionetten

Der Handarbeitsunterricht der 6. Klasse steht unter dem Zeichen der Marionetten. Dabei beginnt der Bau der Marionetten mit einem Stein, der als Grundlage für den Kopf mit Wolle umwickelt wird. Stück für Stück entstehen hier, oft auch in mühevoller Kleinarbeit, wunderbare Marionetten.

Als Höhepunkt wird den Puppen bei einer Aufführung vor den Eltern Leben eingehaucht. Die Schüler präsentieren ihre selbst erdachten Geschichten.